Gegenüberstellung Kowa XD 10,5 x 44 Prominar vs. Zeiss Victory 10 x 42 FL
Zunächst bedanke ich mich herzlich bei Simone Hauptmann für das leihweise Überlassen des neuen Kowa. Diesem im Preis-Leistungsverhältnis interessanten Fernglas habe ich mein Zeiss Victory 10 x 42 FL gegenüber gestellt.
Äußerer Eindruck, Verarbeitungsqualität:
Beide Ferngläser sind in ihren Abmessungen fast gleich groß, das Kowa misst ca. 1 mm höher; sie machen beide gleichermaßen einen wertigen Eindruck. Kowas XD-Serie erscheint wegen der grün-schwarzen Farbabstimmung und der äußeren Formgebung ein wenig den SLC’s von Swarovski nachempfunden. Das Glas wirkt mit seinen sehr großen Okularen ausgesprochen wuchtig, das bekanntermaßen robust dastehende Zeiss im Vergleich dazu beinahe zierlich. Das Kowa hat sehr große und hochwertig aussehende Okularlinsen von ca. 24 mm Durchmesser (Zeiss: 20 mm). Ob die Größe der Linsen etwas über ihre optische Qualität aussagt, vermag ich nicht zu beurteilen; ein Augenschmaus für den Fernglasliebhaber sind sie beim Kowa allemal. Das Zeiss weist die bekannte Oberfläche mit den griffsympathischen Längsrippen auf der Gummiarmierung auf. Die Gummiarmierung ist hochwertig verarbeitet und sehr gut schmutzabweisend. Das Kowa-Glas hat eine fein strukturierte, ebenfalls hochwertig verarbeitete Gummierung mit eingefrästen Daumenmulden. Die Oberfläche fasst sich weniger „gleitend“ an, wie beim Victory, was die Sicherheit gegen unbeabsichtigtes Fallenlassen eher erhöht, dafür das Glas aber schmutzempfindlicher macht. Beim Zeiss fühlen sich die Fingerkuppen beim Gleiten über die Oberfläche förmlich „geschmeichelt“. Beide Ferngläser sind druckwasserdicht und gegen Beschlagen von innen mit Stickstoff gefüllt.
Größe, Gewicht, Ausstattung:
Hier komme ich bereits zum „Geburtsfehler“ des Kowa XD: das Glas ist für meinen Geschmack mit 1 020 Gramm für ein „42er“ einfach zu schwer, um noch als Allroundglas durchzugehen – auch wenn man bedenkt, dass es ja tatsächlich ein 44er ist. Das Zeiss wiegt exakt 200 Gramm weniger; diesen Unterschied spüren Hals und Nacken des ausgedehnt Wandernden auf Dauer doch deutlich. Das Kowa wäre hier eindeutig ein Fall für den Kreuzgurt! Die Ösen für die Tragegurte sind bei beiden Gläsern fast an der gleichen Stelle angebracht, sodass sich hier kaum Unterschiede beim Tragen am serienmäßigen Gurt offenbaren. Der Tragegurt ist bei beiden breit und angenehm gepolstert. Zeiss bildet mit der Sichelform des Gurts eher die natürlichen Nackenformen ab; das Victory trägt sich daher unabhängig vom Gewicht noch geringfügig angenehmer. Außerdem ist der Zeiss-Gurt kleidungsseitig mit rutschhemmendem Neoprenmaterial beschichtet. Interessant ist, dass beide Hersteller dieselben (nach meinen Geschmack wenig praxistauglichen) Objektivschutzdeckel beilegen. Bei beiden sind die Abdeckungen per schmalem Steg mit kräftigen Gummiringen verbunden, welche vorn über den Tubus gezwängt werden und dadurch den Objektivschutz permanent am Glas halten (sollen) – eine nicht besonders überzeugende Lösung, die mich zum Beispiel bewogen hat, auf die Objektivabdeckungen meines Zeiss gänzlich zu verzichten, dem Umstand vertrauend, dass Wassertropfen in der Regel von oben kommen – die Teile liegen seit einem guten Jahr unberührt im Originalkarton, was eigentlich nicht der Sinn der Sache ist. Warum sich alle Hersteller so standhaft gegen die geniale „Butler-Creek-Lösung“ mit fest angebrachten, klappbaren Schutzdeckeln wehren, bleibt wohl das Geheimnis der Entwicklungsabteilungen. Bei den Okulardeckeln ähneln sich beide Optiken ebenfalls fast wie Brüder. An der Einblickseite ist das Handling der gegen Verlieren beidseitig am Gurt längsverschiebbar befestigten Schutzdeckel allerdings besser gelöst, sodass man diese unbedingt nötigen Abdeckungen auch verwendet. Wollte man hier „mit Gewalt“ einen Unterschied suchen, so wäre anzumerken, dass die angenehm auf den Augenmuscheln einrastenden Deckel beim Zeiss etwas besser erscheinen, aber das wäre schon beinahe spitzfindig. Ein ganz erheblicher Vorteil des Kowa ist das 46 mm-Einschraubgewinde an den Objektiven. Bin mal gespannt, wie lange sich „die drei Großen“ das Fehlen derselben an ihren Gläsern noch anhören wollen, ehe sie entsprechend reagieren. Ein Einschraubgewinde für handelsübliche Stativköpfe geht leider beiden Gläsern ab, was vor allem Hobbyastronomen als erheblichen Mangel entlarven dürften. Bei Ferngläsern ab 10 - facher Vergrößerung sind Stativgewinde schlicht und ergreifend ein Muss! Insoweit bekleckern sich beide nicht mit Ruhm.
Augenmuscheln, Einblickverhalten, Brillenträgertauglichkeit:
Hier spielt das Zeiss eine seiner Stärken aus. Zumindest kurzsichtige Brillenträger genießen hier selbst bei nicht vollständig eingedrehten Augenmuscheln das volle Sehfeld nahezu ohne Abstriche. Beim Kowa wird es auch bei ganz eingefahrenen Augenmuscheln äußerst knapp. Die Augenmuscheln rasten bei beiden dreifach mit einer kleinen Schlussraste im ganz ausgefahrenen Betriebszustand. Die Knickbrücken beider Gläser gehen sauber; weder zu leicht, noch zu schwer. Der Augenabstand lässt sich problemlos und bleibend einstellen. Das Kowa hat allerdings einen Nachteil: aufgrund der sehr großen Okulare und dementsprechend wenig Platz zwischen denselben werden markantere Nasen schon bei normalem Augenabstand ziemlich eingeklemmt. Ich empfand (bei durchschnittlichen 65 mm Augenabstand) jedenfalls den Platz für meine Nase als äußerst knapp und auch unangenehm, wie die Okularinnenseiten außen an der Nase drückten – wohl ein Tribut an den aufwendigeren Ausgleich der Aberrationen.
Dioptrienkorrektur, Überhub:
Beide Gläser weisen für Kurzsichtige, die wegen des besseren Schutzes gegen einfallendes Seitenlicht vorzugsweise ohne Brille beobachten wollen, einen völlig ausreichenden Überhub auf. Ich bin hier mit meinen knapp – 2 dpt zwar nicht die ideale Testperson, habe aber den Eindruck, dass noch ordentlich Reserve da ist, wenn ich für meine Augen auf unendlich scharf gestellt habe. Ich würde mal unverbindlich den Überhub bei beiden Gläsern auf gut 6 dpt schätzen, was für die Meisten ausreichen dürfte. Welche Art der Dioptrienkorrektur als besser empfunden wird, ist wohl individuelle Geschmacks- bzw. Gewohnheitssache. Mir gefällt hier das Kowa XD mit seiner „traditionellen“ Dioptrienkorrektur per Drehring am rechten Okular viel besser, zumal der Ring mit einer großen Daumenraste versehen ist. Die Dioptrienkorrektur der Zeiss-Gläser bei denen der Mittenregler für die Gesamtschärfe erst mal etwas fummelig hochgezogen werden muss, halte ich, auch wegen der Schwergängigkeit beim Einstellen für arg gewöhnungsbedürftig. Dies gilt vor allem, wenn das Glas von wechselnden Beobachtern verwendet wird. Praxisgerecht erscheint mir diese Korrektur für unterschiedlich fehlsichtige Augen jedenfalls nicht, sieht man einmal davon ab, dass sich damit die einmal eingestellten Werte nicht mehr unbeabsichtigt verstellen lassen – zusammen geschobene Mitteneinstellung vorausgesetzt.
Fokussierung, kürzester Beobachtungsabstand:
Hier nehmen sich die beiden Gläser recht wenig. Die gummierte, geriffelte Fokussierwalze des Zeiss geht angenehm leicht und gleichmäßig sauber über den ganzen Umfang; die sanft aber sehr griffig fein geriffelte Leichtmetallwalze des Kowa XD verströmt ebenfalls feinmechanische Topqualität, wenn sie auch geringfügig schwergängiger läuft; ein Unterschied der aber im Bereich von Serienstreuung anzusiedeln ist. Die Untersetzung der Fokussierung ist bei beiden Gläsern sehr gut gewählt. Beim Kowa liegen zwischen nah und unendlich ca. 1,2 Umdrehungen, beim Zeiss ca. 1,5. Wer öfter Insekten und Pflanzen aus nächster Nähe beobachtet ist mit dem Kowa (ca. 1,7 m Naheinstellgrenze) bestens und mit dem Zeiss (1,9 m) auch noch sehr gut bedient.
Sehfeld:
Das Kowa XD 10,5 x 44 bestätigt hier seine „Papierform“ nicht ganz. Der scheinbare Sehwinkel beträgt, abgeleitet von den Herstellerangaben ca. 65 Grad; das Victory 10 x 42 FL hat einen scheinbaren Sehwinkel von 63 Grad. Trotzdem erscheint im direkten Vergleich – beide Ferngläser jeweils mit dem „falschen“ Okular gleichzeitig vor Augen – das Sehfeld des Zeiss geringfügig größer. Es darf mangels genauerer Messmethoden (die Messung der tatsächlichen Vergrößerung war mir zu aufwendig) spekuliert werden, woran das etwas hinter den Erwartungen zurück bleibende Sehfeld des Kowa liegt. Eventuell ist die unterschiedliche optische Rechnung beider Geräte (siehe unten) ursächlich, oder es liegt doch an Abweichungen von der Nominalvergrößerung der Gläser. Nun ist der Unterschied keineswegs groß und bewegt sich wohl noch innerhalb der Toleranz der Serienstreuung in Bezug auf die tatsächliche Vergrößerung. Nach eingehenden Sehvergleichen kommen mir beide Ferngläser nämlich so ziemlich gleich vergrößernd vor. Dies kann bedeuten, dass das Kowa geringfügig unter 10,5-fach liegt, während das Zeiss marginal über 10-fach vergrößert. Damit könnte man bereits die geringen Abweichungen der Sehfelder weitgehend erklären. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass beide Ferngläser große Weitwinkelsehfelder weit oberhalb der „Tunnelblickgrenze“ bieten und damit die erwarteten Bedürfnisse voll und ganz befriedigen. Also auch hier nahezu Gleichstand, sieht man einmal davon ab, dass der Sehfeldrand des Kowa ganz leicht verwaschen wirkt, während dieser beim Zeiss knackscharf kommt - gewiss auch ein Merkmal optischer Spitzenqualität.
Lichtdurchlässigkeit, Farbwiedergabe, Kontrast:
Hier spielt das Zeiss-Glas seine ganze Topklasse aus, wobei dieses im Gegensatz zum Kowa den (von mir individuell bevorzugten) leichten Hang zu kühleren Farben zeigt. Ansonsten beim Victory ein sehr helles Bild, knackige, tiefe Farben (vielleicht sind die Leicas hier sogar noch etwas besser, aber dazu fehlt mir der direkte Vergleich) und schließlich eine Vollvergütung deren Qualität (laienhaft ausgedrückt) schon an der satt braun-violett schimmernden Farbe sichtbar zu sein scheint. Demgegenüber fällt das Kowa etwas – im Blick auf den Preis aber erstaunlich gering – ab. Die Bildhelligkeit ist nahezu dem Zeiss gleichwertig; die Farben empfinde ich trotz der etwas wärmeren Farbtemperatur als geringfügig „lebloser“; fast könnte man meinen, man blickt durch ein Swarovski. Auch die eher grünlich schimmernde Vergütung des Kowa wirkt auf mich etwas „zurückhaltender“, ohne dass ich daraus nennenswerte Unterschiede in Transmission und Farbwiedergabe direkt ableiten könnte. Der Bildkontrast beider Ferngläser liegt wieder fast gleichauf mit knappem Vorsprung des Victory.
Mitten- und Randschärfe, Farbsäume:
In der sehr guten Mittenschärfe nehmen sich beide Gläser fast nichts. Gespannt war ich vor dem Hintergrund des ordentlich großen Sehfelds des Kowa auf dessen Randschärfe und da war ich durchaus positiv überrascht. Ich hatte kürzlich Gelegenheit, durch ein Swarovski EL 10 x 42 zu schauen und war daraufhin endgültig sicher, dass der gelegentlich zu hörende Vorsprung der Swarovski-Gläser in punkto Randschärfe vor Zeiss und Leica eindeutig zutrifft. Und jetzt kommt das Kowa dazu! Schon bei einigen Kriterien (Form, Farbe, Farbwiedergabe) hatte ich ein Gefühl, als blickte ich durch ein Swaro. Bei der Randschärfe ist das nun wieder so. Der direkte Vergleich mit meinem gewiss nicht schlechten - von mir beim Kauf unter mehreren Gläsern in Bezug auf Randschärfe „handverlesenen“ - Zeiss Victory sieht hier das Kowa beinahe so weit vor dem Zeiss, wie ich das schon beim Vergleich mit dem Swarovski-Pendant empfunden habe. Das Kowa in Bezug auf Randschärfe also fast auf Augenhöhe mit Swarovski? Man müsste mehrere Gläser gegeneinander testen, um Streuungen auszugleichen, aber es scheint so! Nun sind auch hier die Unterschiede zwischen dem Kowa und dem Zeiss gering, aber, wenn man besonders darauf achtet, durchaus erkennbar. Beim Victory beginnt die Randunschärfe - mit meinen älteren Augen betrachtet - bei etwa 75%, gemessen entlang des Sehfeldradius’ (Mittelpunkt = 0; Sehfeldrand = 100), beim Kowa im Mittel erst bei knapp 80%, wenn auch etwas unterschiedlich. Beim Kowa scheint zum Beispiel – anders als beim Zeiss – die Randschärfe bei 3 und 9 Uhr, also rechts und links, etwas besser (über 80%) als oben und unten bei 12 und 6 Uhr (über 75%). Diese Unterschiede könnten aber auch am Einblick liegen. Mir fiel es nämlich (ohne Brille!) beim Victory leichter, die Sehfeldränder zu betrachten als beim XD. Das Kowa zeigt beim schnellen Schwenk einen (mich überhaupt nicht störenden!) deutlichen Globuseffekt, den das Zeiss fast gar nicht hat. Hier ist ein Zusammenhang mit der guten Randschärfe des Kowa zu vermuten. Beim Zeiss fällt eine gewisse Verzeichnung (die mich ebenfalls nicht stört) auf, die wohl in Kauf genommen wird um einen Globuseffekt zu vermeiden. Hier treffen ganz offensichtlich zwei unterschiedliche Philosophien der optischen Rechnung aufeinander (siehe auch oben unter „Sehfeld“). Auch bei den beinahe unvermeidlichen Farbsäumen an hellen Kanten vor dunklem Hintergrund (oder umgekehrt) liegt das Kowa geringfügig vor dem keineswegs schlechten Zeiss und untermauert damit seine recht gute optische Qualität fürs Geld.
Streulicht, Reflexe:
Betrachtet man bei beiden Gläsern die hellen Kreise der Austrittspupille so fällt sofort auf, dass diese sehr schön gleichmäßig rund sind. Beim Zeiss finden sich jeweils außen auf den mit Abstand betrachteten Okularlinsen links bei ca. 6 und 9 Uhr, rechts spiegelsymmetrisch bei ca. 3 und 6 Uhr zwei sehr schlanke, scharfe linsenförmige Reflexe. Beim Kowa sind um die Austrittspupillen herum und näher an diesen mehrere eher verwaschen wirkende Reflexpunkte sichtbar. Beim Kowa sind also oberflächlich auf den Okularlinsen mehr Reflexe sichtbar, die sich aber beim Blick durch das Glas bei Gegenlicht als harmlos erweisen. Weder beim Laternentest (Straßenlampe knapp außerhalb des Sehfelds) noch bei starkem Gegenlicht offenbart das Kowa nennenswerte Reflexe, wie ich finde. Beim Victory ist das ebenso. Wer hier „das Gras wachsen hört“, mag einen kleinen Vorteil beim Zeiss erkennen, aber dazu muss man stundenlang bei reflexträchtigen Situationen beobachten. Der Reflextest hat für mich daher ein glattes Unentschieden zutage gefördert.
Fazit:
Das Kowa schlägt sich optisch recht achtbar. Es liegt bei Randschärfe und Farbsäumen knapp vor dem Zeiss, bei Transmission, Kontrast, Farbtreue und Sehfeld knapp dahinter. Beim Einblickverhalten und vor allem beim Gewicht liegt dann das Zeiss-Glas deutlich vorn. Ich würde mein Zeiss Victory 10 x 42 FL, da ich es schon mal besitze und schätze, nicht gegen das Kowa XD 10,5 x 44 tauschen, vor allem wegen seines deutlichen Gewichtsvorteils. Wer jedoch noch kein Fernglas der Oberklasse besitzt und vor allem ein Auge auf das Preis-Gegenwert-Verhältnis legt, der mag sich die Kowa-XD-Serie durchaus genauer ansehen, vor allem, wenn das höhere Gewicht nicht stört. Man darf im Übrigen gespannt sein, ob Kowa irgendwann eine kleinere und dann auch deutlich leichtere XD-Serie in der 32er-Klasse bringen wird. Zu wünschen wäre es im Blick auf die so langsam nach oben (ab-)driftende Preise der Premiumklasse.